Flugerprobungen in Rechlin

Kurz nach der Eröffnung der Flieger-Versuchs- und Lehranstalt fanden schon im Oktober 1918 die ersten Vergleichsflüge mit der Fokker D VII Prototyp V11 in Rechlin statt. Seit Ende der zwanziger Jahre stieg der Umfang der Erprobungstätigkeit in Rechlin ständig an. 1932 waren die Anforderungen an unterschiedliche Flugzeugtypen festgeschrieben. Dazu zählten u.a. mittlere Kampfflugzeuge, Fernaufklärer, Jagdeinsitzer, leichte Sturzkampfflugzeuge, Nahaufklärer, Schulflugzeuge und nicht zuletzt schwere Langstreckenbomber. Erste diesbezügliche Entwicklungen kamen zwischen 1934 und 1935 zur Erprobung. Bis dahin wurden bekannte Flugzeugtypen in neuen Rüstzuständen und mit verbesserten Motoren getestet. Erprobt wurden u.a. auch die Junkers F13 und Ju-52 in Landebefeuerung und Leistungsmessungen.

Das Jahr 1935 brachte dann neue Flugzeugtypen in großer Zahl wie die Ju-86, He-111 und Do-17 nach Rechlin, zunächst basierend auf der taktischen Entwicklung von 1932 für ein mittleres Kampfflugzeug. Unter hohem Zeitdruck wurden Vorstellungsmuster einzelner Flugzeugtypen nach ihrem Erstflug beim Hersteller nach Rechlin überführt, um sie dort für ihr spätere Serienreife umfänglich zu erproben. Eines der bekanntesten Jagdflugzeuge – die Me-Bf109 – wurde nach Ihrem Erstflug am 28. Mai 1935 schon im Oktober des gleichen Jahres in Rechlin zur Erprobung vorgestellt, nachdem sie sich im Vergleichsfliegen gegen die Konkurrenz He-112 durchsetzte. Viele weitere Vergleichsflüge um den Vorrang in der späteren Serienproduktion bei dem ausgeschriebenen Schulflugzeug sowie leichten Sturzkampfbomber 1935 fanden in Rechlin statt. Allein im Jahr 1935 gehörten zum Bestand der E-Stelle 182 Flugzeuge, die in fast 2500 Starts und über 800 Flugstunden erprobt wurden. Der Flugzeugbestand stieg im Jahr 1936 auf 211 Maschinen und auf fast 3500 Starts. Im Jahr 1936 wurden auch schon bei den Verbänden befindliche Flugzeuge der Typen He-45, He-46, He-51, He70 sowie Do-13, Do-23 und Ar-68 hier erprobt. Neue Versuchs- und Vorserienmuster der Me-Bf109, Do-17,He-111,Hs-123 und Ju-86 trafen ebenfalls hier ein, wie auch die Prototypen des ausgeschriebenen schweren Sturzkampfbombers Ar-81, He-118 und die Ju-87, die sich nach Vergleichsflügen gewann.

Im Sommer 1936 war Rechlin mehrfach Schauplatz größerer Vorführungen vor Vertretern des Reichsluftfahrtministeriums, bei denen u.a. neuste Flugzeugtypen oder Nachfolgeversionen mit weiterentwickelten Motoren und Bordausrüstung vorgestellt wurden. Das Jahr 1936 erlebte nicht zuletzt die Erstflüge weiterer neuer Flugzeugmuster wie die der Me-Bf110 und Ju-88, die später in großer Zahl bei der Luftwaffe eingesetzt wurden. Neben den fliegerischen Höhepunkten waren 1937 aber auch erstmals schwere Verluste bei der Erprobung zu beklagen. Bei sechs Abstürzen kamen mindestens 18 Angehörige der E-Stelle ums Leben, Zeugnis für die härter werdenden Bedingungen des Erprobungsbetriebes. In dieser Zeit wuchs die Personalstärke auf über 3300 Personen, davon ca. 750 Offizieren. Am 3. Juli 1939 wurde vor Hitler und seinem umfangreichen Minister- und Generalsstab in einem vielfältigen Programm neben Flugzeugvorführungen, u.a. auch die flüssigkeitsraketengetriebene He-176 sowie die strahlgetriebene He-178, Bombenabwürfen, neuartige Waffentechnik auch Triebwerkschnellwechsel, erste Funkmessgeräte sowie das X-Leitstrahlverfahren vorgestellt.

Die Erfahrungen der ersten Kriegseinsätze führten zu erweiterten Aufgabenstellungen auch auf der E-Stelle Rechlin. Die sich ständig ausdehnenden Einsatzräume der Luftwaffe führten vermehrt zu Nachschubproblemen. Lastensegler wie die DFS 230, ursprünglich zum punktgenauen Einsatz von Luftlandetruppen entwickelt, mussten mehr und mehr zu Versorgungsaufgaben herangezogen werden. Die Entwicklung noch größerer Lastensegler begann. Bei den Gotha Flugzeugwerken entstand die Go-242, deren zweites Versuchsmuster 1941 bereits in Rechlin nachgeflogen wurde. Leider kam es auch bei dieser Erprobung innerhalb kurzer Zeit zu zwei tödlichen Unfällen von Rechliner Sachbearbeitern für Lastensegler. Als größter Lastensegler ging aus dieser Entwicklung die Me-321 mit einer Spannweite von 55m hervor. Seine Unbeweglichkeit und der zu hohe Zeitaufwand für die Startvorbereitungen führten schließlich zu der motorisierten Version, der Me-323, die ab 1942 in Rechlin neben vielen neuen Baumustern der bekannten Me-Bf 109 und 110, Fw-190, He-111 und 177, Ju-88 und anderen erprobt wurde.

Neben der Flugerprobung bestand der noch weit umfangreichere Anteil der täglichen Arbeit auf der E-Stelle in der Untersuchung von Triebwerken, Teilsystemen und Einzelgeräten sowie Luftschrauben und Kraft-und Schmierstoffen. Die Erprobungen fanden sowohl am Boden auf einer Vielzahl von Prüfständen als auch im Flugversuch statt. Auch die Erprobung der Flugzeugausrüstung war sehr vielfältig und umfasste die Bereiche Bordinstrumente, Bildgeräte, Filme und Zubehör, Rettungs- und Sicherheitsgeräte, elektrische Bordausrüstung, Steuerungsanlagen und Hydraulikkomponenten. Am 13. Januar 1943 kam es in Rechlin zum ersten einsatzmäßigen Schleudersitzausschuss der Luftfahrtgeschichte. Auch eine Reihe interessanter Beuteflugzeuge wurden im Jahr 1943 untersucht. Am 24. Juli 1943 wurde im Rahmen einer umfangreichen Vorführung erstmals das strahlgetriebene Flugzeug Me-262 und das mit Raketenantrieb versehene Flugzeug Me-163 am Himmel über Rechlin präsentiert. Weitere Neuentwicklungen der Flugzeugwerke Arado mit der strahlgetriebenen Ar-234, Focke-Wulf mit der in Kompositbauweise gefertigten Fw-Ta154 sowie von Dornier die Do-335 markierten ab 1944 wichtige Entwicklungsstufen in der deutschen Luftwaffe. Besonders die Tank 154 mit ihrer Holzkonstruktion von Rumpf-, Leitwerk- und Tragflächenkomponenten sollte die Forderung nach leichteren und schnelleren Jagdflugzeugen gerecht werden. Die Serienproduktion jedoch wurde im August 1944 zu Gunsten der Do-335 eingestellt, dem damals schnellsten kolbengetriebenen Jagdflugzeug mit der ungewöhnlichen mittigen Anordnung von zwei separat angetrieben Propellern an Bug und Heck. Sie erreichte eine Geschwindigkeit von bis zu 770km/h. Das letzte heute noch zu besichtigende Exemplar steht in den USA. Sie wurde Anfang Mai 1945 kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee von Rechlin über Prag nach Oberpfaffenhofen ausgeflogen und später den USA übergeben.

Von besonderer Bedeutung war jedoch der Erprobungsbeginn der neuen Strahlflugzeugmuster Ar-234 und Me-262 im Sommer 1944. Diese neuen Flugzeugtypen hatten bei Erprobungsbeginn noch mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen. Turbinenlaufrad- und Hydraulikschäden sowie Fertigungsungenauigkeiten erforderten höheren bodentechnischen Aufwand bei Nacharbeiten, Umrüstungen und Wartung. Im Herbst 1944 begann noch eine Erprobung, die auf den verzweifelten Gedanken zur Abwehr der feindlichen Bomberströme zurückgeht. Die Flugbombe F1-103 – besser bekannt unter dem Propagandanamen V1- sollte mit einem Piloten besetzt werden, um sie besser ins gegnerische Ziel zu führen. Da die Fi-103 jetzt bemannt war, fiel sie in den Verantwortungsbereich der E-Stelle Rechlin. Die ersten auch als Reichenbergmodell bekannten und noch ohne Triebwerk ausgestatteten Fluggeräte trafen im Spätsommer 1944 in Rechlin ein und wurden zunächst als bemannte Flugbombe mit dem Trägerflugzeug He-111 auf Höhe geschleppt. Sowohl bei den unmotorisierten als auch später motorisierten Varianten wurde die unsinnige Entwicklung aufgrund schwerer Erprobungszwischenfälle mit schweren Verletzungen und Todesfolge von Erprobungspiloten der E-Stelle eingestellt.

Das Vordringen der sowjetischen Armeen Mitte Januar 1945 ließ die Luftwaffenführung nach letzten Abwehrreserven greifen. Bereits am 25. Januar wurde der der „Fliegende Gefechtsverband K.d.E.“ mit allen in Rechlin einsatzbereiten Flugzeugen aufgestellt. Insgesamt standen 292 Tag- und Nachtjäger, Jagdbomber, Aufklärer auf den drei Flugfeldern der E-Stelle zur Verfügung, von denen einige Verbände auch in den Einsatz an die Oderfront von Rechlin aufstiegen. Am 19. Februar wurde die Auflösung des Gefechtsverbandes K.d.E. und weitere Durchführung von dringenden Erprobungen vorwiegend an den Strahlflugzeugen Me-262, Ar-234 und He-162 beschlossen; Nachschubprobleme vor allem bei der Kraftstoffversorgung und schrumpfende Belegschaft erschwerten diese jedoch. Ab Mitte März 1945 begannen die Vorbereitungen zur Verlegung der Erbprobung nach Lechfeld südlich von Augsburg. Die Flugplätze der E-Stelle wurden mehr und mehr zu Ausweichplätzen von Jagdbombergeschwadern. Mit dem am 10. April 1945 geführten Großangriff der USA Airforce auf Düsenjägerplätze Norddeutschlands wurde auch Rechlin und Lärz erneut zum Angriffsziel von 275 Bombern. Damit war die Arbeitsfähigkeit der E-Stelle Rechlin erloschen. Nach dem Einmarsch der Roten Armee in Rechlin begannen die Besatzer mit der Demontage der noch vorhandenen bzw. brauchbaren Einrichtungen des Flugplatzes bis hin zu den Gebäuden und Abtransport in die Sowjetunion. Nichts sollte mehr von der ehemals größten Erprobungsstelle der Deutschen Luftwaffe Zeugnis ablegen.

Dipl.-Ing (FH) Christoph Regel: Die deutsche Luftfahrt - Flugerprobungsstellen bis 1945, Bernard & Graefe, 1998, S120ff

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